Der Lyriker Gottfried Benn (1886-1956) wird als moderner Klassiker der Dichtung eingestuft. Sein Werk gehört durch seine Sprachkraft und seine theoretischen Reflexionen zur literarischen Avantgarde seiner Zeit. Der Lyriker hat stets einen sozialen Auftrag für sein Werk abgelehnt.
Er verspricht nichts, ruft keine Massen auf, legt lediglich Ergebnisse seiner Zwänge vor. Benn läd, wenn überhaupt, allenfalls zu Besichtigung einer Sackgasse ein. Seine Gedichte beinhalten eine Menge sozialkritisches Material, doch dies ist letztlich nicht das Thema des Dichters.
Benns politisches Engagement in der NS- Zeit bestand darin, wie man dem Nachwort entnehmen kann, dass er nicht mitmachte, die Gegenwelten nicht zu verkleistern suchte, sondern Kunst produzierte, reine Kunst, so rein wie Kunst sein kann, nicht zuletzt, weil er der Überzeugung war, dass reine Kunst durch ihre bloße Existenz für Humanismus zeugt.
Um das Können des großen Spachvirtuosen zu dokumentieren, habe ich folgendes seiner Gedicht ausgewählt.
Nur zwei Dinge
Durch so viele Formen geschritten,
durch Ich und Wir und Du,
doch alles blieb erlitten
durch die ewige Frage: wozu?
Das ist eine Kinderfrage.
Dir wurde erst spät bewußt,
es gibt nur eines : ertrage
-ob Sinn, ob Sucht, ob Sage-
dein fernbestimmtes: Du musst.
Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere,
was erblühte, verblich,
es gibt nur zwei Dinge :die Leere
und das gezeichnete Ich.
Benns analytisch- scharfsinnige Betrachtungen, so etwa in seinem Gedicht "Chopin", schmälern die Poesie seiner Verse erstaunlicherweise keineswegs.