"Bey Chopin vergesse ich ganz die Meisterschaft des Clavierspiels, und versinke in die süßen Abgründe seiner Musik,
in die schmerzliche Lieblichkeit seiner eben so tiefen wie zarten Schöpfungen. Chopin ist der große geniale Tondichter, den man eigentlich nur in Gesellschaft von Mozart oder Beethoven oder Rossini nennen sollte."(Zitat: Heinrich Heine)
Der Musikwissenschaftler und Sinologe Dr. Christoph Rueger hat ein hervorragendes Buch zum Leben und Werk meines Lieblingsmusikers Frédéric Chopin geschrieben, das ich mit großem Interesse gelesen habe. Nun beginne ich, die musikwissenschaftlich relevanten Hintergründe der Kompositionen allmählich zu begreifen und delektiere mich nicht mehr nur an der Schönheit der Klänge.
Chopin wurde 1810 in Warschau geboren. Der Autor lotet die Wurzeln seiner Kindheit sehr gut aus, einer Kindheit, die trotz einer gerade beendeten Periode der Unruhe in Polen glücklich und friedlich war. Im Alter von sechs Jahren erhielt er seinen ersten Klavierunterricht von einem in der Nachbarschaft lebenden Böhmen, namens Adalbert Zywny, einem sechzigjährigen Geiger, der nebenbei auch komponierte. Chopin lernte damals bereits die Kompositionen von Bach, Haydn, Mozart und Beethoven, aber auch die zeitgenössischen Werke von Hummel kennen, der auf seine frühen Kompositionen großen Einfluss hatte. Zu jener Zeit improvisierte Chopin Stücke, die sein Musiklehrer für ihn niederschrieb. 1817 erschien seine "Polonaise in g-moll" im Druck. Von da an verbreitete sich schnell der Ruhm des jungen Komponisten, der von den Damen der Gesellschaft in ihre Salons eingeladen und bald als zweiter Mozart gefeiert wurde.
Von 1823 bis 1826 besuchte er das Lyzeum und schrieb sich dann in das Konservatorium ein. Im Juni 1825 erschien sein "Opus 1", ein Rondo in c-moll und bei seinen öffentlichen Auftritten als Student spielte er bisweilen das Aelopantaleon und Aelomelodikon, beide Vorläufer, beziehungsweise Arten des Harmoniums. Zar Alexander, der ihn auf diesem Instrument hörte, war von seinem Spiel so betört, dass er ihm einen Diamantring schenkte.
Bereits als Student entwickelte Chopin die Gewohnheit, nach Möglichkeit kein musikalisches Ereignis im Konzertsaal oder Opernhaus auszulassen und spürte alsbald die Notwendigkeit, sich auf der Suche nach reicherer musikalischer Erfahrung ins Ausland zu begeben. Eine Reise nach Berlin bot ihm die Möglichkeit, seinen musikalischen Horizont zu erweitern. Hier traf er mit Zelter, Spontini und dem nur ein Jahr älteren Komponisten, dem bereits berühmten Mendelssohn zusammen. 1824 fuhr er nach Wien, wie man dem Kapitel "Neue Horizonte" entnehmen kann und hatte am 11. August im Kärtnertortheater seinen ersten großen öffentlichen Auftritt. Dort wurde sein "Krawowiak, ein Konzertrondo mit Orchester op. 14" und die Variationen "Là ci darem la mano op. 2" stürmisch gefeiert. Zurückgekehrt nach Polen, verbrachte er dort noch ein letztes Jahr mit der unglücklichen Liebe zu einer jungen Mezzo-Sopranistin namens Konstancia Gladkowska, die er im Konservatorium kennengelernt hatte und über die man im Buch Näheres erfährt, als auch mit der Komposition seiner beiden Klavierkonzerte.
Am 2. November 1830 verlässt Chopin seine Heimat. Sein Reiseziel ist Wien. Einige Tage hält er sich in Dresden auf, um dort bei Hof am Klavier zu improvisieren. Nachdem er anschließend einige Wochen in Wien verweilte, kehrt er dieser Metropole den Rücken. Jetzt stehen London und Paris auf seinem Reisepass. 1831 trifft er schließlich in Paris ein, bezieht eine Wohnung am Boulevard Poissonère Nr. 27. Zu diesem Zeitpunkt ist Paris bereits Zufluchtsort für politische Flüchtlinge aus allen Teilen Europas geworden, aber auch das Mekka der Künstler vieler Länder und Nationalitäten. In Paris lernt er u.a. die Pianisten Liszt, Mendelssohn, Osborn und Hiller kennen und schließt enge Freundschaft mit dem Cellisten Franchomme.
Dr. Rueger berichtet ausführlich über Chopins rasch steigenden Bekanntheitsgrad in Paris. Er wurde schnell zum gesuchtesten Klavierlehrer der Stadt bei dem selbst so berühmte Mitglieder der Gesellschaft wie Madame de Rothschild Unterricht nahmen.
Er widmet der reichen, talentierten Gräfin Delfina Potocka sein Klavierkonzert in "f- Etuden moll", Jahre später wird er ihr auch seinen "Minutenwalzer op.64 Nr.1" widmen. Gerüchten zufolge soll er ihr Liebhaber gewesen sein. Wohl am meisten beschäftigen ihn in jener Zeit die "Etuden op. 25", daneben schreibt er in jener Zeit Mazurken und die von mir so geliebten Nocturnen.
Im Sommer 1835 reist er nach Karlsbad, um seine Eltern zum letzten Mal zu sehen, fährt weiter nach Dresden, wo er sich in die 16 jährige Maria Wodzinska verliebt. Sein Heiratantrag wird von ihren Eltern abgewiesen. Die Romanze, die im Buch schön skizziert wird, verläuft im Sande.
1836 dann trifft Chopin im Haus von Franz Liszt und seiner Geliebten, der Gräfin Marie d`Agoult in Paris mit der Romanschriftstellerin Georg Sand zusammen. Immer wieder lädt sie ihn anschließend in ihren Freundeskreis ein, zu dem auch Heinrich Heine, Alfred de Musset, der polnische Dichter Mickiewitz und der Maler Delacroix gehören. 2 Jahre lang wirb George Sand um Chopin, bis er endlich nachgibt. Die beiden beschließen ihre Verbindung nicht öffentlich werden zu lassen und verbringen den ersten Winter auf Mallorca. Der Autor berichtet ausführlich von diesem Aufenthalt, von den Anzeichen der Tuberkulose, die sich bei ihm dort durch die Wetterbedingungen verstärken - er litt bereits 1835 in Paris sehr daran. Man liest dann weiter über seine guten Jahre, sein Leben, dass nun in geordneten Bahnen verläuft. Die Sommer verbringt er mit George in Nohant, während der übrigen Zeit unterhalten sie getrennte Wohnungen. Irgendwann wird sein Gesundheitszustand immer kritischer, nach neun Jahren zerbricht die Beziehung zu Georg Sand von da an geht es mit dem Gemüts- und Gesundheitszustand des großen Musikers bergab.....
Die Biografie liest sich sehr spannend und ist bereits Grund genug das Buch zu kaufen. Mich allerdings haben die nachhaltigen Erläuterungen im Anschluss zu seinem Werk besonders in den Bann geschlagen. Thematisiert werden: 1. Konzerte, Klaviertrio, Sonaten, Rondeaux , Variationen, 2. Etüden und Preludes, 3. Scherzi und Balladen, 4. Polonaisen und Mazurken, 5. Walzer, Nocturnen, Impromptus und 6. wichtigste Einzelstücke. Während ich nun immer wieder Stücke aus der von mir geschätzten CD Box (gut,es gibt sicher bessere Aufnahmen) Chopin: Das Gesamtwerk (Box mit 17 CDs) höre, lese ich die erhellenden Anmerkungen des Autors im Einzelnen dazu und bekomme dadurch einen noch intensiveren Kunstgenuss geschenkt. Dafür möchte ich mich bei Dr. Rueger an dieser Stelle ganz herzlich bedanken.
Auf den letzten Seiten kann man in das Werksverzeichnis einsehen, zudem ist ein Literaturverzeichnis vorhanden.
Sehr zu empfehlen.
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