Der Pornoboom ist eine direkte Reaktion auf die Emanzipation( Schwarzer
Alice Schwarzers jüngstes Buch ist in erster Linie die kluge Antwort auf rückwärtsgewandte Publikationen, wie etwa Schirrmachers " Minimum " oder Hermanns " Das Eva-Prinzip " .
Die Journalistin erinnert sich zunächst ihres frühen Engagements in der Emanzipationsbewegung.
Auch spricht sie von Männern, wie dem Franzosen de Saint Simon ( 1760-1825), dem Deutschen Theodor Gottfried von Hippel( 1741-1796) oder dem Engländer Theodor Stuart Mill( 1806- 1873) , für die Frauen durchaus ebenbürtig waren und zeigt damit, dass erst Sozialbiologen zu Ende des vorvergangenen Jahrhunderts, wie etwa Julius Möbius das Patriachat ideologisch zu stabilisierien suchten, indem sie Frauen als biologisch minderwertig abstempelten.
Schwarzer weist auf Untersuchungen hin, die deutlich machen, dass männliche und weibliche Identitäten durch entsprechende Erziehungsmaßnahmen geprägt werden. So wurde beispielweise nachgewiesen, dass mathematische Fähigkeiten durch entsprechende Beeinflussung bei Mädchen gefördert oder aber auch zunichte gemacht werden können.
Ein Kapitel ihres sehr reflektierten Textes widmet die Autorin der Unterdrückung vieler muslimischer Frauen. Schwarzer erklärt, weshalb das islamische Kopftuch nicht das Gleiche wie das christliche Kreuz oder die Kippa ist. Dieses Kopftuch nämlich versucht den Frauen ihre Individualität zu nehmen.
Die Misshandlung muslimischer Frauen, Ehrenmorde, die gesamte Komplexität des islamischen Männlichkeitswahns kann nicht aufgrund falsch verstandener Toleranzvorstellungen akzeptiert werden, sondern man muss begreifen, dass die Menschenrechte unteilbar sind; so der Kerngedanken Schwarzers.
In einem weiteren Kapitel lotet die Journalistin die Abtreibungsdebatte der letzten Jahrzehnte aus und verdeutlicht, dass die Abtreibungszahlen seit der Veränderung des § 218 maßgeblich gesunken sind. Schwarzer erinnert an die fatalen Folgen illegaler Abtreibungsmethoden alter Zeiten und plädiert dafür, dass man auch in Deutschland endlich eine klare Fristenlösung einführen möge, wie in anderen europäischen Ländern und damit die Entscheidung abzutreiben, während der ersten 3 Monate der Schwangerschaft jeder Frau uneingeschränkt selbst überlassen sollte.
Desweiteren thematisiert Schwarzer Krippenplätze für Kleinkinder und lässt nicht ungesagt, dass die von Natur aus altruistische Mutter( wie Schirrmacher sie in seinem Buch verherrlicht) ein bloßer Mythos ist, der einem längst überholten System erneut aufs müde Pferd verhelfen soll.
Ferner befasst sich Schwarzer in ihrem Buch mit dem derzeit verstärkt krankhaften Essverhalten junger Mädchen. In diesem Zusammenhang kritisiert sie die Verführung durch Mode, Film, Popkultur und Werbung, wo Männer die Regie in diesen Angelegenheiten führen und Frauen das diktierte Ideal verkörpern.
Pornographie , so die Autorin, in einem weiteren Kapitel, propagiert nicht zufällig in Zeiten der zunehmenden Gleichberechtigung Frauenverachtung und Frauenhass- ihr liebstes Objekt ist dabei die Powerfrau.
Die Journalistin weist auf eine Untersuchung hin, wonach die emotionale Intelligenz und Empathiefähigkeit bei Jugendlichen enorm abgenommen hat. Für die Mehrheit der jungen Männer aber auch für viele junge Frauen ist Sexualität heute mit Gewalt verbunden. Hierbei identifizieren sich Männer mit den Vergewaltigern und Frauen mit den Vergewaltigten, als Folge bedenklicher Verarbeitungsstrategien des Gehirns aufgrund der rundum pornographisierten Jugendkultur.
Interessant auch Schwarzers Kapitel zur Prostitution! Die Jornalistin hält fest, dass es derzeit zwischen 250 - 400 000 Prostituierte gibt und Männer mit Abitur diese doppelt so häufig besuchen als Männer mit Hauptschulabschluss. Etwa 2/3 aller Männer über 18 gehen routinemäßig oder sporadisch zu Prostituierten und haben demnach den Freierblick. Was sie dort kaufen ist nicht Sex, sondern Macht.
Schwarzer betont, dass die Unterwürfigkeit der Prostituierten den sich in der Befehlsgewalt sonnenden Freier antörnt.
Dass dies so viele Männer mit Abitur notwendig haben, erstaunt schon sehr!
Eloquent, wie immer, räumt Schwarzer in ihrem Buch mit dem Ammenmärchen von Schirrmacher und Hermann auf, dass in alten Zeiten alles besser war.
Zudem zeigt die Autorin , dass es noch eine Menge zu tun gibt, bis die Ziele der Emanzipation der Geschlechter zufriedenstellend verwirklicht sind.
Für die große Frauenrechtlerin ist ein Mann glaubwürdig, der sich aktiv vom Männlichkeitswahn und seinen Vertretern distanziert, ein Mann , der ernsthaft versucht zur Bekämpfung des Sexismus beizutragen und der Frauen auf Augenhöhe begegnet.
Eine interessante Lektüre, sehr empfehlenswert auch für die männliche Leserschaft, insbesondere solche mit Abitur!
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