Rezension: Die magischen Werke von Heinrich C. Agrippa von Nettesheim

Kapitel 63. Wie die Leidenschaften der Seele den eigenen Körper umwandeln, indem sie die zufälligen Eigenschaften desselben verändern und auf den Geist einwirken.

Der Autor des vorliegenden Buches ist Agrippa von Nettesheim, eigentlich Heinrich Cornelius (1486- 1535). Er war Arzt, Philosoph, Jurist und Theologe, aber auch Kabbalist und Alchemist, der im Rückgriff auf den Neuplatonismus, die Gnosis und die Kabbala nach den Mysterien der Natur suchte.

Unter dem Begriff " Neuplatonismus" versteht man die letzte große Synthese der griechischen Philosophie, etwa zwischen 200 und 500 n. Chr. Außer platonischen Begriffen sind aristotelische, stoische und solche der spätantiken Mystik in den Neoplatonismus eingegangen. Höchster Begriff ist das über alle Bestimmungen erhabene Eine (Gott), aus dem nicht nur durch Schöpfung, sondern auch durch wesensnotwendige Ausstrahlung alle Seinsformen hervorgehen: zuerst der Geist, der die Ideen enthält, dann die Weltseele und die Bereiche der Erscheinungen bis hinab zur Materie. Alle Wesen haben den Drang zu dem Einem als ihren Ursprung zurückzukehren, sodass das Stufensystem der Welt nach der einen Seite Emanation, nach der anderen Seite Erlösung ist.

Gnosis ist in der griechischen Tradition die Bezeichnung für Erkenntnis überhaupt. Im heutigen Sprachgebrauch bezeichnet Gnosis als allgemeiner Begriff der Religionsphänomenologie das systematisch gefasste, nur wenigen Auswählten zugänglich göttliche Geheimwissen in esoterischen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften.

In diesem Sinne ist der Gnostizismus die zusammengefasste Bezeichnung für mehrere spätantike, religiöse, dualistische Erlösungsbewegungen unterschiedlicher Herkunft. Grundlegend für das gnostische Weltbild ist die Interpretation der Welt und der menschlichen Existenz im Rahmen einer streng dualistischen Konzeption. Die materielle Welt wird als von einem Demiurgen geschaffen und widernatürlich angesehen. In ihr sind Teile der jenseitig göttlichen Welt des Lichts gefangen, die erlöst werden müssen. Der gnostischen Kosmologie entspricht eine Anthropologie, die im Leib das Gefängnis der Seele sieht. Erlösung aus der Gefangenschaft ist durch Erkenntnis möglich, in der christlichen Gnosis durch Christus, den Gesandten des göttlichen Lichts.

Kabbala schließlich ist die Bezeichnung für die jüdische Mystik und religionsphilosophische Geheimlehre. Kabbalisten verbinden die traditionelle jüdische Exegese mit Elementen der Gnosis, des Neuplatonismus wie dies auch Agrippa von Nettesheim tat.

Grundlage kabbalistische Spekulationen ist die Anschauung von den vier Welten und zehn Sphären, in denen sich die göttliche Kräfte abgestuft entfalten und das Geschehen in der materiellen Welt bestimmen, das der Kabbalist durch seine Frömmigkeit beeinflussen kann. Dem Bösen der anderen Seite wird durchaus eine Macht zuerkannt.

Im vorliegenden Werk interpretiert von Nettesheim, der übrigens u a . Vorlesungen über Reuchlins Kabbala hielt, den Neuplatonismus sehr originell. Er versucht die Magie als Naturwissenschaft darzustellen; Christentum und Magie sollen sich auf neuplatonischem Boden wieder begegnen.

Das umfangreiche Werk wurde zum Grundbuch der Renaissancemagie und des neuzeitlichen Okkultismus überhaupt.

Wenn man sich erst einmal auf die Texte eingelassen hat, üben sie eine enorme Faszination auf den Leser aus. Mit großem Interesse habe ich das Kapitel von den Zahlen, ihrer Macht und ihren Kräften gelesen, aber auch das 65. Kapitel " Wie die Leidenschaften der Seele auch nach außen auf einen fremden Körper einwirken ". Der Autor fokussiert den Zusammenhang zwischen Körper und Seele und weiß " Eine erhobene und durch eine lebhafte Einbildung erregte Seele bringt nicht allein ihrem eigenen, sondern auch fremden Körpern Gesundheit und Krankheit ". Er verweist auf Avicenna, Aristoteles Algazel und Galen, die diese Meinung auch vertraten. Möglicherweise gibt es den bösen Blick ja wirklich. Ich halte alles für möglich, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist.

Dass die musikalische Harmonie Auswirkungen auf die Seele hat, ist heute unbestritten und dass die menschliche Seele durch einzelne Grade der Unterordnung zur geistigen Welt hinaufsteigt und den höheren Geistern und Intelligenzen ähnlich wird, ist wünschenswert.

Am meisten allerdings bin ich von Agrippas Vorstellung fasziniert, dass Menschen, deren Imagination und denkende Kraft sehr stark sei, eine solche Kraft erlangen können, dass sie sich der Seele anderer mitteilen können, auch auf große Entfernungen. Liebende wissen das schon immer.
Aber lesen Sie bitte selbst.
Empfehlenswert.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen