Rezension: Ein Panorama europäischen Geistes: Texte aus drei Jahrtausenden: 3 Bände

Nimm einen bestimmten Charakter an und eine Haltung, die du niemals aufgibst, ob du mit dir allein bist oder mit anderen Menschen zusammen." ( Epiktet)

Wenn Sie einem guten, sehr nachdenklichen Freund ein schönes Weihnachtsgeschenk machen möchten, empfehle ich die drei Bände " Ein Panaroma europäischen Geistes " zu verschenken.

Diese Bücher beinhalten rund 120 intellektuell anregende Texte aus drei Jahrtausenden von bekannten und weniger bekannten Dichtern und Denkern.

Ausgewählt und vorgestellt werden die Texte von Ludwig Marcuse, der zu jeder einzelnen Person ein paar Worte verliert und textliche Aufschlussreiches den einzelnen schriftlichen Darlegungen zu sehr unterschiedlichen Themen jeweils voranstellt.

Man muss das Buch nicht chronologisch lesen. Wer sich ein wenig im klassischen Schrifttum auskennt, bemerkt sofort, dass die Texte immer bloß Auszüge aus bestimmten Werken der Autoren enthalten. So ist auch nur ein Bruchteil von Platons Gastmahl abgedruckt, genug aber um eine Idee von diesem wundervollen Gesamttext zu erhalten und neugierig auf diesen zu werden. Neugierde soll jeder Text wecken und wohl auch die Lust fördern weiter lesend sich die Gedankenwelt der vergangenen drei Jahrtausende zu erschließen.

Theophrast kannte ich bislang nicht. Er war der bekannteste Schüler des Aristoteles. Sein berühmtestes Buch " Charaktere " ist die erste Typologie innerhalb unserer Kultur. Abgedruckt sind seine Ausführungen über den Schwätzer, den Aufschneider, den Eitlen, den Wichtigtuer, den Abergläubischen, den Grobian und den Schmarotzer. Sich auf den Gesamttext einzulassen ist sicher kein Fehler.

Cicero mochte ich schon im Lateinunterricht. In " Über die menschlichen Pflichten " stellt er nicht zuletzt die Fragen " Sind alle pflichtmäßigen Handlungen vollkommen gute Handlungen?" " Ist eine Pflicht größer als eine andere? " Über solche Sätze lässt sich gut nachdenken, weitaus besser als über die Textstellen aus Cäsers " Der gallische Krieg ".

Begeistert bin ich, dass man meinen Lieblingsphilosophen Plutarch nicht vergessen hat, der von sich selbst sagt, dass er mit Leib und Seele der Wahrheit und der Gerechtigkeit ergeben ist. Er machte es sich zu Aufgabe den Menschen aufzuklären und für das Gute zu begeistern. Die Textstelle aus seinen " Moralischen Schriften " ist gut gewählt.

Auch " Der goldene Esel " von Apuleius wird dem Leser entgegengebracht. Es geht hierbei um die Abenteuer eines in einen Esel verwandelten Mannes und die Erlösung durch die Göttin Isis. Die Geschichte von " Amor und Psyche " ist in diesem Werk eingeflochten, allerdings hat Marcuse eine andere Textstelle gewählt.

Im Band II " Von Augustinus bis Hegel " haben mich die Textauszüge von Erasmus von Rotterdams " Lob der Torheit " , von Thomas Morus " Utopia " und Ulrich von Huttens " Ich hab`s gewagt " besonders interessiert . Von Hutten hatte ich bislang noch nichts gelesen . Seine radikale Kampfansage gegen die säkulare Herrschaft der Kurie war mehr als nur mutig.

Mit viel Freude las ich natürlich Hölderlins Briefwechsel mit Diotima: " Seit ich Dich gestern sah, ist nichts als der Wunsch in mir lebendig Dich zu sprechen..." Eine wunderbare Liebeserklärung, derer sich viele versteckt in seinen Briefen finden.

Die beiden Briefe Schopenhauers an Goethe sind freilich von ganz anderem Inhalt. Obschon Schopenhauer ein großer Mäkler war, blickt er dennoch zum Kaiser der deutschen Literatur ebenso auf, wie jeder andere Schriftsteller.

Mit jedem neuen Text werden mir Bildunglücken bewusster. Fichte? Wieso habe ich ihn bislang noch nicht gelesen? " Die Bestimmung des Menschen " ist eindeutig ein Lesemuss.

" Des Menschen grausamster Feind ist der Mensch. Noch durchirren gesetzlose Horden von Wilden ungeheure Wüsteneien; sie begegnen sich in der Wüste und werden einander zur festlichen Speise; oder , wo die Kultur die wilden Haufen endlich unter das Gesetz zu Völkern vereinigte , greifen die Völker einander an mit der Macht , die ihnen die Vereinigung gab, und das Gesetz.... Das Gute ist immer das schwächere, denn es ist einfach und kann nur um sein selbst willen geliebt werden; das Böse lockt jeden einzelnen mit der Versprechung, die für ihn die verführendste ist, und die Verkehrten, unter sich selbst im ewigen Kampfe, schließen Waffenstillstand, sobald sich das Gute blicken lässt, um diesem mit vereinigter Kraft ihres Verderbens entgegenzugehen....( aus: Die Bestimmung des Menschen)

... und so gelangt man schließlich zu Band III " Von Karl Marx bis Thomas Mann."

Büchner " Der Hessische Landbote " fehlt nicht aber auch zwei hervorragende Essay Ralph Waldo Emerson wurden abgedruckt. Emerson schreibt in " Goethe oder der Schriftsteller ": " Goethe war der Philosoph dieser Vielfältigkeit; hunderthändig, argusäugig, fähig und freudig bereit, es mit diesem rollenden Gemengsel von Tatsachen und Wissenschaften aufzunehmen und durch seine eigene Gewandtheit sie mit Leichtigkeit einzuordnen.... Sein ganzes Denken ist von herzerfreuender Freiheit erfüllt. Er war die Seele seines Jahrhunderts...."

Vertiefe ich mich in einen Heinetext schwöre ich sogleich nur noch Heine zu lesen. Er ist für mich der Beste. Eindeutig....auch wenn ich immer wieder Goethe huldige....und das nicht grundlos.

Unmöglich alle Autoren und Texte aufzuzählen. Zum Ende der Rezension vielleicht noch ein kleines Zitat von Epiktet : " Gewöhne Dich nun, bei jedem unangenehmen Ereignis zu sagen: Du bist nicht das, was Du scheinst, sondern nur eine Vorstellung. Sodann prüfe an den Regeln, die Du gelernt hast, besonders an der ersten, indem Du fragst: Gehört es zu dem, was in meiner Gewalt steht, oder nicht? Und gehört es zu dem, was nicht in deiner Gewalt steht, so sage dir selber: Es geht mich also nichts an."

Ein kluger Mann, dieser Epiktet.

Empfehlenswert!






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