Das Böse ist die Abwesenheit von Mitgefühl
Hilke Lorenz zeigt anhand von exemplarischen Lebensberichten das Verhalten von Opfern, Tätern und Mitläufern während der NS-Zeit und beleuchtet deren heutige Einstellung zu den fürchterlichen Geschehnissen jener Jahre. Als Leser, der dieser Generation nicht angehört, ist man schon verwundert, dass diese Menschen später in der Bundesrepublik doch noch einen Weg gefunden haben, in einigermaßen friedlich-nachbarschaftlichen Verhältnissen miteinander zu leben, denn die Täter zeigten sich nicht selten ignorant und ohne wirkliche Reue.
Die Herrenmensch- Ideologie, in der Begriffe, wie Humanität, keinen Platz fanden, sondern in der es in erster Linie um das Recht des Stärkeren und in diesem Zusammenhang um das Erlernen perfider Methoden der persönlichen Durchsetzung ging, wurde in den Elite- Schulen der Nazis ( so auch in Feldafing) zum obersten Lernziel. Am Beispiel von drei ehemaligen Schülern wird deutlich, wie nachhaltig die dortig vermittelten Lehrinhalte die einzelnen Personen prägten und wie schmerzhaft der Prozess der Erkenntnis war, die für das zukünftige Leben falschen Dinge erlernt zu haben.
Die Autorin läßt Soldaten zu Wort kommen, die ihren damaligen Dienst an der Waffe noch heute als blosse Pflicht begreifen wollen und keine Bereitschaft zeigen, persönliche Verantwortung für ihre Untaten zu übernehmen. Ein Beispiel dafür, dass auch ein anderer Weg möglich ist, wird durch Otto- Ernst- Duscheleits Bemühungen deutlich. Dieser ehemalige SS- Mann bereut seine inhumanen Handlungen aufrichtig und geht in Schulen , um jungen Menschen von den Greueltaten der SS zu berichten. Er hat seine einstige selbstverschuldete Unmündigkeit hinter sich gelassen. Deshalb auch haben ihm die Nachfahren der Opfer vergeben. Wie sehr die Nazis gewütet haben, wird nachvollziehbar an Biographien, eines Wehrmachtsdeserteurs, eines Juden, eines Sinto, eines Zwangsarbeiters und einer bayrischen Magd, die alle in Konzentrationslagern gefoltert und gepeinigt wurden; die Magd, deshalb, weil ihre große Liebe ein Pole war.
Menschenverachtung und Respektlosigkeit, Brutalität und schäbige Heuchelei waren die wahren " Werte " der Nazis und deshalb wundert man sich schon fast nicht mehr, dass ihnen nahestehende Menschen, sprich Mitläufer, aus profaner Profitgier Krematorien für Konzentrationslager bauten und eine Gymnasiallehrerin, die in Auschwitz, die Kinder der SS- Leute unterrichtete, beinahe mehr Bedauern für die Täter als für die Opfer hat.
Verblendung und Ignoranz wurden von nur wenigen Tätern und Mitläufern wirklich überwunden. Die meisten haben das Gestern nur weggeschoben bzw. verdrängt. Vergangenheitsbewältigung ist ihnen bis heute ein Fremdwort geblieben. Dennoch war der Widerstand der Geschwister Scholl und ihrer Freunde ( auch von ihnen allen ist die Rede) nicht ergebnislos. Sie haben das Licht der Humanität zukünftigen Generationen weitergereicht und allein schon deshalb sollte immer und immer wieder dankbar an sie erinnert werden. Ein hervorragend recherchiertes Buch, das jeder, der lesen kann, lesen sollte!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen