Rezension: Die Brüder Himmler

Eine schwere Bürde.


Die Politologin Katrin Himmler befasst sich in diesem Buch mit ihrer Herkunftsfamilie. Sie ist die Großnichte des Massenmörders Heinrich Himmler, der für die Ermordung von sechs Millionen Juden während der NS- Zeit verantwortlich war. Die Autorin will wissen, inwiefern ihr Großvater und ein weiterer Großonkel ebenfalls in das Nazi-Regime verstrickt waren und möglicherweise NS-Ideologie politisch umgesetzt haben, denn über diese Thematik schwieg man sich bei Himmlers zuhause offensichtlich bewusst aus. Auch fragt die Autorin in der Folge nach den Motiven des Handelns der drei Brüder.

In ihrer Recherche geht Katrin Himmler weit zurück bis in die Anfänge des letzten Jahrhunderts. Hier befasst sie sich zunächst mit ihren Urgroßeltern. Ihr Urgroßvater Professor Gebhard Himmler war Schuldirektor an einem Gymnasium in München und Privatlehrer eines Sohnes des bayerischen Königs. Die Urgroßmutter entstammte einer sehr wohlhabenden Familie und brachte eine Mitgift von dreihunderttausend Goldmark mit in die Ehe, was damals ein Vermögen war. Große Teile dieses Vermögens verloren die Urgroßeltern 1918, weil sie das Geld während des 1. Weltkrieges in Kriegsanleihen investiert hatten. Dies führte zu einem veränderten Lebensstil in der großbürgerlichen Familie.


Wie aus dem Buch hervorgeht, erzog der Urgroßvater seine drei Söhne nicht gemäß des humanistischen Bildungsideals zu fragenden, argumentierenden und zweifelnden Menschen heran. Vielmehr ging es ihm darum, dass aus ihnen gehorsame, fleißige , harte, pflichterfüllende, das Deutschtum verherrlichende Männer wurden. Dies hatte zur Folge, dass sich die so belehrten Söhne - später in der Weimarer Republik - als politische Soldaten sahen, die in einem - aus ihrer Sicht- permanenten Bürgerkrieg kämpfen und siegen wollten. Als in dieser Zeit die Brüder Schwierigkeiten hatten ihrem Stand gemäße Positionen zu erlangen, drifteten sie in den Nationalsozialismus ab. Hier bot sich eine Gelegenheit gesellschaftlich wieder ganz oben anzukommen. Heinrich Himmler war alsbald einer der engsten Vertrauten Adolf Hitlers.


Seine Brüder gelangten durch Vetternwirtschaft wenig später in Positionen, die sie zwar offiziell nicht zu politischen Akteuren machten, aber klar erkennen ließen, wo sie ideologisch beheimatet waren. Frühe Parteimitglieder waren sie allesamt, doch dies verschwieg man in Katrin Himmlers Familie nach 1945. Katrins Großmutter, deren Ehemann, wie viele andere Nazis im Mai 1945 - aus Furcht vor den Konsequenzen ihres Tuns - Suizid beging, dementierte vehement das Ausmaß der Verstrickung ihres Gatten in das NS- Regime. Die Verwandtschaft zu Heinrich Himmler wurde von der Großmutter verdrängt.

Die Enkeltochter lässt keinen Zweifel aufkommen, wenn sie anhand von persönlichen Briefen und Dokumenten ihrer väterlichen Verwandtschaft zeigt, wie sehr diese vom NS- Regime profitiert und die Nazi- Ideologie anderen gegenüber persönlich vorgelebt haben. Großmutter Paula träumte nach 1945 , von einem Atomschlag, der sie und alle anderen auslöschen sollte, weil sie mit den Folgen , insbesondere mit Hunger und sozialem Abstieg nicht fertig wurde, weil sie ihre Schuld nicht sühnen wollte.

Die Autorin ist mit dem Sohn polnischer Juden verheiratet. Die Vorfahren dieses Mannes gehören zu den Opfern des Nazi- Terrors. Durch ein gemeinsames Kind haben die beiden vielleicht eine Antwort gefunden auf das horribele Gestern .

Empfehlenswert.

Rezension Helga König





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