" Wagnisse muss man eingehen. Denn hinter jedem Wagnis steht auch eine Chance" ( Gesine Schwan),
Irma Hildebrandt skizziert im vorliegenden Buch zwölf weibliche Persönlichkeiten, die in ihren Augen prägende Gestalten der Bundesrepublik sind.
Es handelt sich hierbei um Hannah Arendt, Hilde Domin, Lore Lorenz, Hildegard Hamm- Brücher, Dorothee Sölle, Ulrike Meinhof, Rita Süssmuth, Christiane Nüsslein-Volhard, Alice Schwarzer, Gesine Schwan, Petra Kelly und Angela Merkel.
Allen gemeinsam ist nach ihrer Ansicht die Gegebenheit, dass sie mit ihrer Phantasie, Courage und Entschlossenheit gesellschaftlich, politisch und kulturell neue Akzente setzten.
Diesem Urteil stimme ich nach der Lektüre des Buches mit einer Einschränkung zu. Ich denke man sollte Ulrike Meinhof nicht in einem Atmenzug mit all den anderen Damen nennen.
Meinhof entschied sich für den Weg der Gewalt , inwieweit sie durch dieses Verhalten Akzente in der Bundesrepublik gesetzt haben könnte, ist mir nicht einsichtig.
Die 1906 geborene Soziologin und Politologin Hannah Arendt befasste sich vor allem mit der Erforschung der Totalitarismus und politisch-philosophischer Grundsatzfragen. Ab 1959 lehrte sie in Princeton Politikwissenschaften. Im Buch wird kurz auf Ihre wichtigsten Werke " Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft " (1951), " Rahel Varnhagen " ( 1959) ," Vita activa oder vom tätigen Leben "( 1960) und " Eichmann in Jerusalem "( 1963) eingegangen.
Hannah Arendt zeigt den Zusammenhang zwischen die Vernichtung der Juden mit der Herrschaft totalitärer Systeme auf, die alleine in der Lage seien, solche systematischen Mordaktionen durchzuführen. Arendt fokussiert ihre Untersuchung nicht nur auf den Nationalsozialismus, sondern sie bezieht auch den Faschismus aber vor allem den Stalinismus ein.
Ein wenig irritiert war ich zunächst als ich von der extremen emotionalen Abhängigkeit dieser blitzgescheiten Frau von ihrem Geliebten, dem Philosophen Heidegger las. Arendt wurde durch diesen Mann lange restlos fremdbestimmt. Sie war ihm sogar hörig. Ein ähnliches Phänomen zeigt sich auch bei Ulrike Meinhof, der hochbegabten Journalistin, die letztlich von Baader fremdbestimmt war. Er war zwar nicht ihr Geliebter, aber sie betrachtete ihn offenbar als eine Art Leittier. Der radikale Gesinnungswandel der vormals pazifistischen positiv engagierten Studentin wird erklärbar, wenn man begreift, dass sie sich letztlich dem kranken Willen Baaders untergeordnet hat.
Intellektuelle, selbstbewusste Frauen in späteren Zeiten hätten sich auf diese Weise vermutlich nicht mehr für männliche Gewaltaktionen instrumentalisieren lassen.
Hildebrandt offeriert verschiedene Erklärungsmuster, wie es zu Meinhofs Ausstieg aus der bürgerlichen Gesellschaft kam. Der Verfassungsschutzpräsident Günther Nollau bezeichnete das Handeln Meinhofs und anderer Terroristinnen damals als einen " Exzess der Befreiung der Frau ". Meines Erachtens waren diese RAF-Frauen keinesfalls Feministinnen. Wären sie es gewesen, wären sie nicht den Weg der Gewalt gegangen.
Sehr gut gelungen ist die Skizzierung Alice Schwarzers, der wir Frauen hier im Land so viel zu verdanken haben. Sie aber auch die Liberale Hildegard Hamm-Brücher und Rita Süssmuth haben am gleichen Strang in die gleiche Richtung gezogen, auch wenn sie sich ihrer Gemeinsamkeit möglicherweise nicht immer bewusst waren. Drei wirklich selbstständige, selbstbewusste, eloquente Frauen, die Akzente für die freie Entwicklung ihrer Geschlechtsgenossinnen setzten.
Beeindruckt hat mich die Skizzierung der Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan, die übrigens einen Intelligenzquotienten von 174 hat. Einsteins IQ war meines Wissens in diesen Höhen angesiedelt. Dass Schwan seit 1999 Präsidentin der Europa-Universität " Viadrina " in Frankfurt an der Oder ist und dort wirklich Positives leisten kann, verdankt sie ihrer natürlichen Begabung und dem daraus resultierenden intellektuellen Engagement, das bei ihr - wie Hildebrandt verdeutlicht - von Jugend erkennbar war.
Mir gefällt, dass Schwans Schlüsselwort " Vertrauen " heißt und dass sie mit dem Philosophen Kant der Meinung ist, dass ohne Grundvertrauen der Menschen in sich selbst, in ihre eigene Verlässlichkeit und die der anderen, selbst der Gegner, weder Frieden noch Rechtsstaat möglich ist.
Elf der hier aufgelisteten Frauen besitzen dieses Vertrauen. Meinhof hatte es nicht, deshalb auch unterminierte sie durch ihre Gewalthandlungen Frieden und den Rechtsstaat.
Alle Porträts sind wirklich sehr gelungen. Auch wenn ich in Bezug auf Meinhof nicht der Ansicht bin, dass sie eine prägende Gestalt der Bundesrepublik ist, bewerte ich das Buch ohne Bauchschmerzen mit 5 Sternen.
Rezension Helga König
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