Rezension: Nach der Krise -De Weck

Auf dem Klappentext dieses hervorragenden kleinen Büchleins erfährt der interessierte Leser, dass das Wirtschaftsystem versagt hat und die Krise allgegenwertig ist. Es handele sich hierbei um eine Krise der Finanz, der Wirtschaftsführer, der Politik und der Medien- dahinter stehe eine Wertekrise. Dieser Analyse konnte ich sofort zustimmen, kaufte mir das Buch, das verdeutlicht, dass eine öko-soziale Marktwirtschaft die wirklich sinnvolle Alternative zum derzeit herrschenden Kasinokapitalismus darstellt.


Der Volkswirt Roger de Weck, Moderator der Fernsehsendung "Sternstunden Philosophie" und ehemaliger Chefredakteur der Zeit vergisst in seinem Essay nicht Joseph Schumpeter zu erwähnen, der 1947 bereits die "unvermeidliche Auflösung der kapitalistischen Gesellschaft" vorraussagte. Schumpeter bereits analysierte, dass der Wechsel vom herkömmlichen Unternehmer, der Eigentümer einer Firma ist und persönlich hafte, zum Manager in "Angestelltenhaltung" fatal sei. Der Grund, so der österreichische Ökonom, bestehe darin, dass die bezahlten Direktoren und Unterdirektoren nur an sich dächten, anstelle die Interessen der Aktionäre und des Unternehmens zu vertreten. Allerdings betrachtete Schumpeter auch die kleinen Aktionäre und Finanzinvestoren für Pseudoeigentümer, die weder dem Unternehmen, noch dessen langfristigem Wohl verbunden seien (vgl: S. 97).

De Weck begreift Schumpeters Analyse weniger als moralisches Urteil als ein eine politische Analyse. Er hält in der Folge fest, dass der Konzernkapitalismus zu systematischer Verantwortungslosigkeit treibt. Skrupellosigkeit, Gleichgültigkeit, Gier, Menschenverachtung und Eigennutzdenken sind mit dem Kasinokapitalismus eng verbunden. "Das moralische Empfinden schwand in der Zeit vor der Krise unaufhaltsam" (Zitat de Weck S. 98) . Ich zitiere diesen Satz bewusst, weil er sich mit meinen Beobachtungen in den letzten Jahren 100% ig deckt.

Der Autor verdeutlicht zu Anfang des Buches, dass 1989 die Furcht der Oberschicht schwand, dass unzufriedene Bürger "zu den Kommunisten" überlaufen würden. Fortan hegten und pflegten viele Regierungen diese"globale Klasse" (Ralf Dahrendorf). De Weck zählt den Bonus, den die öffentliche Hand den Managern und Investoren angeboten hat auf." Steuerpauschalen für Superreiche, Steuergeschenke an vielreisende Geschäftleute, Steuerrabatte für Hedge-Fonds-Manager, clevere Steuermodelle und weitere Möglichkeiten der Steuervermeidung oder schlicht der- hinterziehung" (vgl.S. 13).


Da die Krise des Kapitals kapitale Staatskrisen hervorrufen kann, ist es unumgänglich, so de Weck, dass man sich Mechanismen zu Mäßigung von Gier überlegt, indem man beispielsweise die steuerlichen Privilegien für Kapital abbaut. Wenn die Börse zum Dreh- und Angelpunkt einer Gesellschaft wird, prägt diese ihre Mentalität. Finanzoligarchen zwingen den Staat, ihr in der Krise verwirktes Eigentum auf Kosten der Allgemeinheit zu schützen. Der Autor meint zu Recht, dass in einem demokratischen Kapitalismus der Vorrang der Demokratie vor der Ökonmie stehen müsse und auf diese Weise die Übermacht der Finanzwelt gebrochen werden könne.


Ich teile nicht die Meinung Roger de Wecks, dass eine höhere Dotierung der Staatsdiener diese unabhänger von den Machenschaften der Kasinokapitalisten machen würde, sondern ich bin der Ansicht, dass dies nur durch ein verändertes Wertedenken herbeigeführt werden kann. Ultraliberale, resümiert der Autor, haben die bürgerlichen Werte zerrüttet. Seither gelten die alten Tugenden von Kaufleuten wie etwa Verlässlichkeit, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, langfristige Geschäftbeziehungen, Kontinuität, Vertrauen und Rücksicht nicht mehr. Durch Zielgrößen wie Dynamik, Innovation und kurzfristiger Profit sind diese wichtigen Werte ersetzt worden und hinterlassen überall nichts anderes als verbrannte Erde.


Roger de Weck, der für einen öko-demokratischen Kapitalismus wirbt, weiß, dass man Spekulation, wo sie Schaden stiftet verbieten und seitens des Staates massive Gehalts-und Bonusexesse abstrafen muss. Er hält deshalb fest:" Die Politik darf sich nicht damit begnügen, strenge Spielregeln für Kasinospieler aufzustellen- sie sollte viemehr Teile des Kasinos schließen."(Zitat: S. 84)

Im Rahmen meines Politologiestudiums habe ich einst zwei Hauptseminare in Ethik belegt. Mein damaliger Professor warb vergeblich dafür, auch in anderen Fachbereichen das Fach Ethik einzuführen. Er war schon damals überzeugt, dass es wichtig ist, ein Bewusstsein für humanistische Werte zu schaffen, wenn man etwas anderes als das Wiederaufleben des Urzustandes, wie Hobbes ihn beschreibt, im Sinn hat.


Es freut mich, dass auch de Weck an Werte wie Verantwortungsbewusstsein, Mitgefühl, Gerechtigkeitssinn, Nächstenliebe und Selbstlosigkeit appelliert und Wege aufzeigt, wie man dem Kasinokapitalismus den Boden entzieht. Dies wird kein einfacher Weg sein, aber ich halte ihn für realisierbar, nicht zuletzt, weil ihn die Vernunft gebietet und ich davon überzeugt bin, dass letztlich stets die Vernunft siegt.






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