Rezension: Stadt der blauen Paläste. Roman (Taschenbuch)

Die morbide Schöne

Ingeborg Bayer erzählt in diesem Roman die Lebensgeschichte der venezianischen Patrizierin Crestina, die bei einer Pestepedemie ihre Familie verloren hat. Nach einem langwierigen Rechtsstreit erhält sie den elterlichen Palazzo zurück , den ihr durchtriebener Cousin sich widerrechtlich angeeignet hatte. Fortan bewohnt sie das Haus mit ihren beiden Freundinnen. Die Nürnbergerin Margarete stellt nun im Palazzo aus ungezählten Ingredenzien Parfums her, die sie in wertvolle Flakons aus Murano-Glas abfüllt und anschließend überregional erfolgreich vertreibt. ( Das wird von der Autorin eindrucksvoll geschildert.)


Die Jüdin Lea handelt mit antiquarischen Büchern und hat dieses Handelsgut ebenfalls im Palast untergebracht. Die altsprachlich gebildete Crestina übersetzt Texte griechischer und römischer Klassiker. Zumeist aber trauert sie um ihren toten Bruder, mit dem sie mehr als nur schwesterliche Liebe verbunden hat.Ihr rückwärts gewandtes Leben verändert sich erst, nachdem die ziemlich überstürzt den Reeder und Salzhändler Renzo heiratet und mit ihm nach Konstantinopel geht. Nachdem Renzo unerwartet stirbt, kehrt Crestina mit ihren mittlerweile beinahe erwachsenen Kindern nach Venedig zurück. Die Denunziation und Inquisition machen dort noch immer ein freies Leben unmöglich und der wachsende Sklavenhandel, den die Schriftstellerin facettenreich thematisiert, zeigt den Untergang vormaliger Kaufmannstugenden, die Stadt einst auszeichneten.

Die Blüte Venedigs in der Renaissance ist während der Erzähl-Zeit schon lange vorbei. Das Leben der jüdischen Kaufleute im venezianischen Ghetto zeigt sich mittlerweile als unerträglich. Nun, in der Mitte des 17. Jahrhunderts, ist man weniger tolerant, auch zu den protestantischen deutschen Kaufleuten der Fondaco tedesco. Möglicherweise aber waren es ja einst gerade Redlichkeit, Großzügigkeit und Toleranz, welche die morbide Schöne zu dem machten, wofür man sie noch heute bewundert und vielleicht welkte die Stadt von dem Zeitpunkt dahin, als diese Attribute nicht mehr tatsächlich als wünschenswert galten.

Die Idealistin Crestina ist über all das, was sie erleben musste, sehr betrübt und desillusioniert. Sie nimmt sich vor ihre selten heiteren Lebsensbetrachtungen für ihre Enkel in einem Buch festzuhalten........

Ingeborg Bayer schreibt wirklich packende historische Romane und versteht es immer wieder den Leser detailreich mit vergangenen Zeiten vertraut zu machen. Das gilt auch für ihren neuesten Roman!

Empfehlenswert.


Habe früher einige Bücher von Ingeborg Bayer gelesen. Am besten gefiel mir:





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen