Rezension: Unsichtbare Wunden heilen: Wie traumatisierte Menschen inneren Frieden finden

Wer psychische oder physische Gewalt anwendet, dem mangelt es eindeutig an Mitgefühl.
Prof. Dr. med Richard F. Mollica ist Preisträger des renommierten "Human Rights Award" der "American Psychiatric Association". Mollica berichtet im vorliegenden Buch von den Folgen von Gewalt in allen nur vorstellbaren Variationen. Dabei verarbeitet er Hunderte von Interviews seiner Beratungs- und Forschungstätigkeit.

Ich verzichte an dieser Stelle darauf, konkret auf die geschilderten Gewaltanwendungen weltweit einzugehen, jeder kennt die entsprechenden Berichte aus der Presse, sondern ich möchte stattdessen in meiner Rezension die Ziele von Gewaltanwendung beleuchten. Der Autor hält fest, dass es ganz unabhängig vom Schweregrad bei der Anwendung von psychischer und psychischer Gewalt stets darum geht, den anderen zu demütigen. Die Täter - das fängt bei kleinen Demütigungen im Alltag schon an - möchten bei ihren Opfern das Gefühl entstehen lassen, sie seien absolut wertlos. Mollica konstatiert, dass überall dort, wo Gewalt verübt wird, es an jeglicher Regung von Liebe, Zuneigung und Mitgefühl fehlt.

Der Autor verdeutlicht, dass in Trauma-Geschichten von extremen Gewalterfahrungen sich die ganze Bandbreite des Gefühls der Demütigung offenbart. Das Gefühl der Demütigung ist sehr komplex. Offenbar handelt es sich weniger um eine eindeutige Regung wie Angst, stattdessen vielmehr um einen Daseinszustand, der sich dadurch auszeichnet, sich körperlich und geistig minderwertig zu fühlen, hinzu kommen Gefühle von Unreinheit und Scham, von spiritueller Leere und Schuld, nicht zuletzt auch von Gedanken, anderen gegenüber als moralisch abstoßend zu gelten.
Bereits in Situationen, in denen es an Liebe, Zuneigung und grundsätzlichem Einfühlungsvermögen mangelt, kann ein Gefühl der Herabminderung, Erniedrigung und Scham entstehen. Dies sollte man sich bewusst machen, denn auf diese Weise ist man in der Lage, Akte der Demütigung zu erkennen. Bei extremer Gewalt wie bei Folter treten demütigende Handlungen extrem zu Tage. Terrorhandlungen, wie etwa die Anschläge vom 11. September, beabsichtigten ganz eindeutig auch Demütigung und zwar in diesem Fall gegenüber der USA in ihrer Gesamtheit.

Das Maß der Demütigung variiert je nach traumatischem Ereignis. Demütigung beginnt zumeist damit, dass man öffentlich der Schande ausgesetzt wird, sei es von einer kleinen oder großen Gruppe von Beobachtern. Demütigungen sind in der Geschichte der Menschheit ein allgegenwärtiges Phänomen. Jeder weiß um die Leiden der Naziopfer, der Betroffenen in Chile, Argentinien, Kambotscha, Bosnien etc.

Der Autor zeigt in der Folge wie die Opfer Schmerzen überwinden können, wobei der Schüssel für ihn in der Selbstheilung liegt. Wie diese Selbstheilungskräfte aktiviert werden können wird während der Lektüre dieses Buches, geschrieben von einem sehr einfühlsamen Mediziners, deutlich. Die Selbstheilung vollzieht sich auf psychischer Ebene, sobald es dem Verstand gelingt, aus dem Gewalterlebnis einen neuen Sinn zu konstruieren. Dabei bildet der Kern der psychischen Komponente der Wille zu überleben und das Erlebte zu bewältigen. Der Mensch fasst den Entschluss, alles zu unternehmen, was ihm die Situation abverlangt und angesichts der Gewaltakte nicht klein beizugeben.








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