Rezension- Wer die Wahrheit sucht- Elisabeth George

Kindheitsverletzungen und ihre Folgen
Der auf der britischen Insel Guernsey lebende jüdische Millionär Guy Brouard wird wenige Stunden nach dem Ende einer großen Party , die er auf seinem Anwesen gibt, ermordet. Beleuchtet werden in der Folge die möglichen Tatmotive. Offensichtlich hat Brouard mehreren Personen Anlass geboten seinen Tod in Erwägung zu ziehen. Es gibt eine Anzahl von Menschen, deren Hoffnungen er nicht erfüllt, andere gar, deren Feindschaft er sich zugezogen hat. Die Rolle des Mäzens und Frauenliebhabers hat, wie man erfährt, auch seine düsteren Seiten.......

Über einen höchst subtil und facettenreich konstruierten Handlungsrahmen transportiert Elizabeth George zwei große Themen. Zum einen zeigt sie Guernsey während der Besatzungszeit seitens der Nazis. Zur Sprache kommen Deportationen langjähriger Inselbewohner, die Exekution angeblicher Spione und im Anschluß die spätere Legendenbildung durch einstige Kollaborateure. Georges Anliegen ist es u.a. zu demonstrieren, dass der menschliche Geist in der Lage ist, sich Parallelwelten zu schaffen, um auf diese Weise unangenehme Wahrheiten zu verleugnen, umzugestalten und zu vergessen.

Das zweite große Thema in diesem Buch sind abgründige Vaterbeziehungen. Diesen Themenkreis variiert die Autorin auf den sehr spannend zu lesenden 700 Seiten ihres Romans immer wieder neu. Die Botschaft, die diese hervorragende Psychologin vermittelt, ist eindeutig: Die eigentlichen Ursachen für die individuellen, mitunter unverständlichen Handlungsmuster von Menschen liegen in der Kindheit und da in der Beziehung zu ihren Eltern und anderen Erwachsenen. Es geht um Aufrichtigkeit, um Verletzung, um Enttäuschung und Verrat. Die Eltern von Guy Brouard und seiner Schwester Ruth wurden in Ausschwitz ermordet. Dieser Umstand hat die Geschwister besonders eng miteinander verbunden. Hundertprozentig können die beiden Geschwister sich ihr Leben lang aufeinander verlassen. Aber bleibt für Dritte in dieser beinahe symbiotischen Verbindung noch Raum? Für den Sohn, für die Töchter, die Frauen, die Freunde?

Eifersucht, Empörung, Enttäuschung aber auch bloße Habgier können die Ursache für den Mord gewesen sein. Bis zum Ende dieses wirklich packend geschriebenen, niveauvollen Kriminalromans, der in erster Linie subtile Psycho-Studie ist, scheint unklar, wer die Tat nun wirklich begangen hat.

Vielleicht noch etwas: Es hat sich nicht nachteilig ausgewirkt, dass die Autorin in ihrem jüngsten Werk auf den, von ihrer Lesergemeinde allseits geschätzten Chief Inspector Lynley verzichtet hat. Auch Simon St. James und seine Frau Deborah haben dafür sorgen können, dass es an Spannung und Lesevergnügen bis zum Schluß dieses Buches nicht gemangelt hat.

Elizabeth George ist als Krimi-Autorin zweifelsfrei eine Könnerin!






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