Dies ist ein wunderbarer Film des britischen Malers, Schriftstellers und Avantgarde- Regisseurs Peter Greeneway .
Meine Eindrücke waren nicht immer deckungsgleich mit der Filmbeschreibung von Arthaus.
Ich sehe es keineswegs so, dass alle Ereignisse "vieldeutig und reininterpretierbar" bleiben. Alle auf keinen Fall, nur manche. Es stimmt allerdings, dass nicht Empathie und Identifikation, sondern intellektuelle Herausforderung ganz offensichtlich vom Regisseur bezweckt worden sind. Dass die Einlösung des Kontrakts den Tod des Zeichners vorsetzen soll, halte ich für an den Haaren herbeigezogen. Die Filmhandlung gibt meines Erachtens ein solches Denkergebnis nicht her.
Ich habe mir gestern den Film ein zweites Mal angesehen, weil es wirklich beinahe verwirrend viele Intrigen zeitgleich zu begreifen gilt und man auf jedes Detail achten muss, um zu verstehen, was sich vor den Augen des Betrachters ereignet.
Marianne Wellersdorf vom Kulturspiegel hat es sich meiner Meinung nach zu einfach gemacht, als sie in ihren Eingangswort sagt. " Das ist das Wunderbare an Greenways "Kontrakt des Zeichners": Das große Rätsel wird nie gelöst". Da bin ich ganz anderer Ansicht.
Die Auflösung des Rätsels ist gegeben. Sie erfordert nur hohe Konzentration.
Zum Film:
Dieser Film ist vieles, u .a. eine Milieustudie.
Die Filmhandlung spielt 1694 in Südengland. Gezeigt wird das Leben der Landadligen, für die ein schönes Anwesen mit wohl konstruierter Garten- bzw. Parkanlage ein Statussymbol darstellte. Man pflanzte damals sündhaft teuere holländische Tulpen, exotische Bäume und andere seltene Gewächse und konkurrierte mit seinen Nachbarn in allem Kunstfertigen und Repräsentativen. Seinen Reichtum und Status ließ man mit Vorliebe in Bildern festhalten.
Die prächtigen Kostüme und Perücken der Darsteller auch die wohl artikulierte, beinahe verkünstelte Sprache mit unendlich vielen Metaphern, die für diesen Film bezeichnend sind, wurde laut Greeneway nie in der englischen Provinzgemeinde gesprochen, sondern unterlag seiner freien Handhabe um die Barockkultur stilistisch zu ironisieren.
Der Zeichner Nelville ( Antony Higgins) wird von Mrs. Herbert, einer Landadeligen beauftragt den Besitz ihres Mannes in zwölf Bildern zu Papier zu bringen. Die Dame fühlt sich vernachlässigt, weil ihr Gatte sich mehr um Haus und Garten als um sie kümmert und sie ihm mit den Bildern eine Freude machen, ihn auf diese Weise erneut an sich binden möchte. Das ist die Version, die sie sie Nelville auftischt.
Das Anwesen, auf das Mr. Herbert so stolz ist, hat Mrs. Herbert mit in die Ehe gebracht. Sie konnte allerdings nicht Besitzerin bleiben, weil nach damalig geltendem englischem Recht der ererbte Besitz der Frau nach Eheschließung in das Eigentum des Mannes gelangte. Die Tatsache, dass ihr Gatte sie arrogant und kalt abblitzen lässt, scheint sich augenscheinlich zu verbittern und handlungsaktiv zu machen.
Die erwünschten Zeichnungen sollen innerhalb von zwölf Tagen angefertigt werden. Es ist genau die Zeit, in welcher Mrs. Herberts Mann in Southhampton weilt.
Nelville, der intelligente, sehr redegewandte Zeichner ziert sich zunächst den Auftrag anzunehmen, stimmt schließlich jedoch zu, nachdem auch die verheiratete Tochter des Hauses auf ihn eingeredet hat.
Der Zeichner handelt mit Mrs. Herbert die Vertragsbedingungen aus. Zu diesen gehört das Einverständnis der Hausherrin, dass Nelville sich täglich um 16.Uhr während der zwölf Tage ihres Körpers lustvoll bedienen darf.Gäste im Anwesen sind u.a. die Tochter und deren impotenter Ehemann deutscher Herkunft, der von der Schwiegermutter als affektiert bezeichnet wird, dessen deutscher Neffe, sowie der Notar des Hauses, dem Mrs. Herbert einst versprochen war, bevor sie Mr. Herbert ehelichte.
Offenbar hat sie mit diesem Notar ein Verhältnis. Der Notar ist aufgrund der zurückliegenden Ereignisse auf Mr. Herbert nicht gut zu sprechen, denn normalerweise wäre das Anwesen in seine Hände gefallen.Des Weiteren gibt es noch einen Nachbarn, der sich insgeheim das Landgut von Mr. Herbert aneignen möchte, um seinen Besitz zu vergrößern.Der Schwiegersohn von Mrs. Herbert sieht sich schon als kommenden Eigentümer des stattlichen Besitzes und scheint es nicht erwarten zu können, dass der Voreigentümer das Zeitliche segnet.
Die hochintelligente Tochter der Herberts hat andere Probleme, sie muss eine Lösung finden, wie sie schwanger wird, damit das Vermögen ihrer Familie nicht in ferner Zukunft an den deutschen Neffen ihres Mannes fällt.Mrs. Herbert wiederum würde im Falle des Ablebens ihres Gatten erneut in den Besitz des Anwesens ihrer Familie gelangen und könnte neu disponieren. Soweit die Ausgangspositionen, die sich aus der Filmhandlung erschließen lassen.
Die Interessen aller sind auf die Vermehrung des eigenen Vermögens bezogen. Alle sind hochgradig habgierig.
Ach, beinahe hätte ich es vergessen, es gibt noch eine geheimnisvolle Person im Garten, die nackt, jedoch angemalt mit Farbe als lebende Statue fungiert und in der Folge nicht ohne Bedeutung ist.
Der Zeichner beginnt sein Werk, kommandiert arrogant die Adeligen herum und erntet ihren Groll.Minutiös zeichnet er alles, was er sieht und aus diesem Gesehenen ergibt sich eine visualisierte Geschichte. Bald wird deutlich, dass Mr. Herbert nicht mehr am Leben ist. Seine Stiefel stehen auf dem Anwesen, sein Hemd und sein Pferd tauchen auf und schließlich findet man ihn nach zwölf Tagen ertrunken auf dem Anwesen. Er scheint ermordet worden zu sein.
Zum Zeitpunkt des Auffindens der Leiche hat der Zeichner nicht nur bereits zwölf Bilder gezeichnet, sondern auch Mutter und Tochter in deren Einverständnis sexuell mehrfach befriedigt, wobei es der Tochter weniger um ein vergnügliches Erlebnis mit Mr. Nelville als um die Möglichkeit ging, schwanger zu werden und einen Nachkommen zur Welt zu bringen.
Als dem impotenten Ehemann der jungen Frau hinterbracht wird, was sich ereignet hat, beginnt er zu toben. Er hasst den Zeichner. Auch der Notar hasst diesen, weil Nelville ihm seine Rolle als Liebhaber streitig gemacht hat. Doch der Zeichner geht seiner Wege und man glaubt die Geschichte sei zu Ende. Man irrt sich. Als Nelville nach einer Woche nochmals zurückkommt, steht die Frage offen weshalb Mrs. Herbert genau den Bereich als Zeichenauftrag aussparte, wo ihr Gatte ertrank. Ist sie die Drahtzieherin des Mordes an ihrem Gatten?
Nelville zeichnet an diesem Tage ein 13. Bild und schläft abermals im gegenseitigen Einverständnis mit Mr. Herbert bei. Diese Tatsache wird- vermutlich durch Mrs. Herberts Tochter- den anderen Männern hinterbracht. Sie bekommen daraufhin offenbar Panik, dass der Maler ihre materiellen Pläne durchkreuzen könnte, indem er der zukünftige Gatte von Mrs. Herbert werden könnte.
Der Notar, der Schwiegersohn , der Nachbar, sowie zwei Parvenüs erschlagen gemeinschaftlich schließlich den Zeichner, nachdem sie ihn zuvor geblendet haben. (Ich verrate kein Geheimnis, die Filmbeschreibung berichtet ebenfalls vom Ende des Films). Meiner Ansicht geschieht der Mord am Zeichner aufgrund von Eifersucht und Habsucht des Notars, des Nachbarn und des Ehemannes der Tochter Herbert.
Mit dem Mord an Mr. Herbert haben die Mörder Nelvilles allerdings nichts zu tun. Besagter Mord wurde mit großer Wahrscheinlichkeit im Auftrag von Mrs. Herbert seitens der lebenden Statue ausgeführt. Alle Indizien sprechen dafür.
Diese Person demonstriert später, auf dem steinernen Pferd sitzend, ihre Kaltblütigkeit als sie den Zeichner so tritt, dass er zu Boden fällt und dann von der Adelsclique erschlagen wird.
Mrs. Herbert hat den Zeichner für ihre Zwecke benutzt, um von sich als Täterin abzulenken. Als sie den Kontrakt mit ihm abschloss, wusste sie allerdings noch nicht, dass dies das Todesurteil für den Zeichner war.
Dies meine Interpretation der Geschehnisse. Ich bin neugierig zu welchen Ergebnissen Sie gelangen. Der Film ist ein kniffeliger Denkanreiz.
Ein Werk mit unendlich schönen Bildern und beeindruckenden Kostümen, einer verwickelten Filmhandlung mit vielen Intrigen und geschliffenen Dialogen, die ihresgleichen suchen. Gezeigt wird die Verkommenheit des ausschließlich besitzorientierten Adels des zu Ende gehenden 17. Jahrhunderts, für den das Leben nichtaristokratischer Personen wenig zählte. Selbst das Leben eines Künstlers war ohne Wert, wenn es den Eigeninteressen der Aristokratie im Wege stand.
Die Bild und Tonqualität sind hervorragend, die Bildeinstellungen ein Hochgenuss.
Empfehlenswert.
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