"Trenne dein Herz nicht von deiner Zunge" ( Amenemope, um 1100 v. Chr.),
" Missachte nicht die kleinen Dinge, damit dir durch sie kein Unheil entstehe......Auch eine kleine Schlange hat Gift.!" ( Lehre des Papyrus Insersinger, um 300 n. Chr.) Hermann A. Schlögl , Professor em. für Ägyptologie an der Universität Fribourg hat die im Buch vorliegenden Texte ausgewählt und ein Nachwort dazu verfasst, indem er knapp auf das intellektuelle Geschehen im damaligen Ägypten eingeht. Er lässt die Leser wissen, dass die Ägypter zu den Völkern gehören, welche die gesprochene Sprache am frühesten künstlerisch geformt und schriftlich festgehalten haben.
Auf diese Weise wurde die Basis geschaffen , so Schlögl, auf dem sich Ende des 3. vorchristlichen Jahrtausends große Dichtungen entwickelten, die heute zur Weltliteratur gehören. Weil die Sprache in späterer Zeit unterging, assoziierte man das Alte Ägypten lange nicht mit literarischen Kunstwerken wie Dramen, Märchen, Erzählungen und Lyrik oder religiösen Vorstellungen, Hymnen und Gebeten, sondern stattdessen mit den imposanten Baudenkmälern. Erst nach der Entzifferung der Hieroglyphen kamen diese Werke wieder ans Tageslicht und rückten durch die Arbeiten von Erik Hornung und Jan Assmann erneut ins Bewusstsein.
Die im Buch enthaltenen Texte befassen sich mit dem Umgang mit Menschen, den Tugenden und Lastern, der Liebe und Leidenschaft, dem Lebensalter und Tod, dem Glanz und Elend der Schöpfung und esoterischen Reflexionen.
Mögen sich zwar die Betrachtungen zu Herrschaftsverhältnissen seit der Neuzeit immens verändert haben und der Mensch des Heute in vieler Hinsicht freier denken und handeln können, muss man doch feststellen, dass er in seinen Leidenschaften, seinen Affekten unverändert geblieben ist. 2280 v. Chr. warnt die Lehre des Kagemni: " Achte darauf , dass du keinen Streit erregst! Man weiß nie, was geschehen wird." Die Lehre des Amenemope, um 1100 v. Chr. greift diesen Gedanken auf: " Verursache keinen Zank mit einem Schandmaul, indem du ihn mit Worten reizt!" Amenemope begründet seine Mahnung nicht, weil alle Welt bis zum heutigen Tag , weiß worauf er hinaus will. Leider hält man sich nicht immer an diese kluge Mahnung.
In der Lehre für König Merikare, die um 2100 v. Chr. verfasst wurde, liest man zum Thema Wahrheit und Gerechtigkeit : " Handle gerecht, solange du auf Erden bist: Beruhige den Weinenden, unterdrücke eine Witwe nicht, und verdränge niemand vom Erbe seines Vaters... Hüte dich davor , ungerecht zu strafen! Töte nicht, denn das ist für dich nicht richtig!" Ob Merikare sich daran wohl gehalten hat? Ich erlaube mir in der Folge mit noch einigen kleinen Zitaten aufzuwarten, um die Neugierde auf das Büchlein zu mehren:
So liest man in der Lehre des Ptahhotep, um 2350 v. Chr. über den Dummen: " Täglich müsste man ihn tadeln. Er lebt von dem, woran man stirbt, verdrehte Worte sind sein Labsal."
Und in der Lehre des Anch-scheschonqi, um 100 v. Chr.: " Der Freund eines Narren ist ein Narr. Der Freund eines Dummen ist ein Dummer. Der Freund eines Weisen aber ist ein Weiser." " Da ist einer , den das Unheil getroffen hat, denn er ist einem Dummkopf begegnet." Sehr klug ist auch diese Sentenz zum Thema Habgier desselben Denkers: " Schiele nicht nach dem Besitz eines anderen, damit du zuletzt nicht arm sein wirst."
Dieser amüsante Gedanken Anch-scheschonqis lässt tief blicken : " Heirate keine sauertöpfische Frau! Liebe keine verheirate Frau! Schlafe nicht mit einer verheirateten Frau...( aufgepasst!!!! und jetzt die höchst interessante Begründung!).. Wer mit einer verheirateten Frau im Bett schläft, dessen Frau wird von einem anderen auf dem Erdboden beschlafen." ( Der Satz sagt viel über die männliche Psyche aus, wie ich finde. Ob sich Männer in ihren diesbezüglichen Ängsten seither geändert haben?)
Am meisten bin ich von dem Sonnenhymnus des Echnaton ( 1351-1335) angetan. Dieser führte den ersten Monotheismus der Menschheitsgeschichte in Ägypten ein. Er postulierte für sich und seinen Gott Aton, welcher sich in der Sonne manifestierte, als dessen Sohn und Prophet sich er König sah, die unbedingte Gefolgschaft( vgl. S. 98). Es ist eine wundervolle Ode an die Sonne!
Ich möchte die Rezension mit Worten eines der bedeutendsten Dichter des Alten Ägyptens, der um 1880 v. Chr. lebte, schließen: " Niemand ist frei von Schlechtigkeit, und jedermann handelt schlecht. Die Herzen sind gierig... Der Zustand gestern war genau so wie heute, doch man achtet nicht mehr darauf, denn es ist einfach zu viel. Die Gesichter sind abgestumpft, und keiner ist weise genug, um zu begreifen, keiner wütet genug , es auszusprechen.... Es ist qualvoll , zu schweigen über das, was man hört, und es ist ein Elend einem Unwissenden zu antworten...Einer Meinung entgegenzutreten lässt Feindschaft entstehen, Wahrheit nimmt ein Herz nicht mehr an, Widerspruch wird nicht geduldet. Jedermann hat nur Interesse für seine eigenen Worte. Alle Menschen bauen auf Krummes und die aufrichtige Rede ist abgeschafft..."
So geschrieben 1880 v. Chr! Sie sehen liebe Leser, nichts ändert sich wirklich unter Gottes Sonne!
Empfehlenswert!
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