" Wenn ich dich nun noch fünftausend Jahre und sieben Monate liebe, ist`s genug?" (Zitat aus " Leonce und Lena " von G. Büchner),
Das Lesebuch können auch Verliebte lesen, aber es ist nicht zwingend notwendig verliebt zu sein, damit man am Inhalt von Patrick Hutschs Textauswahl Freude hat. Dichter, Schriftsteller und Philosophen werden hier ins Feld geführt, um dem Leser die Liebe mit ihren Begleiterscheinungen näherzubringen.
Beim ersten Durchblättern habe ich zunächst die Gedichte gelesen. Liebes-Lyrik von Bretano, Eichendorff, auch Lessing, Ringelnatz, Petrarca, Lukrez, Vergil, Hölderlin, Goethe, Heine, Tucholsky, Mühsam, Fried, und von vielen anderen mehr wird hier präsentiert.
Man muss vermutlich verliebt sein, damit Liebesreime das Herz überquellen lassen, gleichwohl bleibt Nichtverliebten die intellektuelle Freude und die kann auch riesig sein. Sprachlich und inhaltlich sind die ausgewählten Texte allesamt sehr gut und ein wahrer Lesegenuss. Ein Liebesgedicht sollte nach Möglichkeit auch Emotionen beim Leser freisezten. " Wenn ich in Deine Augen seh...." Nur wer verliebt ist, erfühlt der Dichter Worte wirklich. Das Herz eines Verliebten beginnt bei Worten wie diesen wild zu klopfen " Wenn ich in Deine Augen seh...."
Mit diesen Worten beginnt übrigens ein wunderschönes Gedicht von Heinrich Heine.
Bei den philosophischen Texten freilich verhält es sich anders. Hier ist der Verstand gefordert. Verliebte haben die Chance ihre Verliebtheit in Liebe zu verwandeln, denn Liebe ist laut Erich Fromm eine Kunst, die von dem , der sie beherrschen will, verlangt, dass er etwas weiß und das er keine Mühe scheut. Hutsch hat eine sehr gute Passage aus Fromms Buch " Die Kunst des Liebens " ausgewählt. " Die meisten Menschen sehen das Problem der Liebe in erster Linie als das Problem selbst geliebt zu werden, statt lieben zu können ", und genau das ist der Punkt, weshalb viele Beziehungen nach kurzer Zeit in die Brüche gehen.
Von Fichte liest man eine Sentenz mit dem Obersatz " Die Bestimmung des Menschen " und man erfährt in der Folge " In der Liebe nur ist das Leben, ohne sie ist der Tod und Vernichtung ". Besser kann man es nicht formulieren.
Der Autor wartet auch mit einigen Passagen aus Platons Symposion auf. Dort berichtet Aristophanes vom Mythos der zweigeschlechtlichen Kugelmenschen, die seitens der Götter getrennt worden seien, weil sie in deren Augen in ihrer Ganzheit zu viel Stärke besaßen und ihnen aus diesem Grund gefährlich werden konnten. Deshalb haben die Götter den weiblichen vom männlichen Part getrennt. Seither aber suchten sich die beiden Hälften und sehnten sich unentwegt nach dem Anderen.
Textpassagen aus Aristoteles " Nikomachischer Ethik " werden herangezogen, in denen der Philosoph die Grundlagen von Freundschaft reflektiert und auch Kant wird mit seinen Betrachtungen über die Freundschaft in seiner " Metaphysik der Sitten " bemüht, nicht zuletzt weil Freundschaft, wie die Franzosen sagen, auch Liebe aber ohne Flügel ist. Durchaus lesenswert ist Georg Simmel " Zur Psychologie der Frau ". Der Philosoph und Soziologe hält in seinem Text fest: " Es ist eine alltägliche Erfahrung, dass die völlig rückhaltlose Hingebung einer Frau oft Gleichgültigkeit gegen sie erzeugt, dass sie ihre Anziehungskraft verliert, sobald sie die Vorstellung weckt, dass sie weder äußerlich noch innerlich mehr etwas zu geben hätte. " Ob dies so ist, können nur die Herren der Schöpfung beantworten.
Gut gewählt sind die Passagen aus Stendhals " Über die Liebe ". Dabei lesen sich die beiden Kapitel "Über die Eifersucht" sehr amüsant. Dort trifft man auf die höchst interessante Bemerkung, dass je mehr in einer Liebe die Wollust an Stelle eines Gefühls Platz greift, das zuerst das Zusammenleben beherrschte, - Wollust und Gefühl sind offenbar für Stendhal kein zusammengehörendes Begriffspaar-, desto leichter findet Wankelmut und Untreue Eingang. Ob das wohl zutrifft?
Stendal rät, dass eine Frau einem betrogenen Liebhaber niemals die Wahrheit gestehen möge, sofern sie sich aus ihm noch etwas mache.
Schön sind die Passagen aus verschiedenen Romanen. Ich bedaure ein wenig, dass man nicht aus der Kameliendame zitiert hat, aber für jung Verliebte ist dieser Roman auch viel zu traurig. Dass Patrick Hutsch eine Szene aus Romeo und Julia einbringt, erfreut nicht nur Shakespeare-Freunde.
Ein gelungenes Buch. Meine Rezension möchte ich mit ein paar Worten aus einem in darin enthaltenen Gedicht von Erich Fried beenden. An dich denken/bis die Liebe/zu dir/wieder glücklich sein darf/ Das Wiedererwecken/ von Toten /ist dann/ ganz einfach".
Empfehlenswert.
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