Nachdem bereits zwei Top- Rezensenten das Buch " Denken mit Fernando Pessoa " rezensiert haben, bin ich neugierig geworden.Wer ist Fernando Pessoa?
Verschiedenen Kurzbiographien habe ich entnommen, dass er als der bedeutendste portugiesischer Lyriker der neueren portugiesischen Literatur gilt, zwischen 1888 und 1935 lebte und unter vier Pseudonymen( " Heteronymen ") unterschiedliche thematische und formale Möglichkeiten der Dichtung erprobte.Psychische Probleme soll er gehabt haben, ähnlich wie Nietzsche soll sein Denken nihilistisch-existentiell gewesen sein. Pessoa, der Literatur an der Universität in Lissabon studierte und bis zu seinem Tode unscheinbar als Handelskorrespondent gearbeitet hatte, war Alkoholiker und starb an einer Leberzirrhose.
Der Diogenes-Band beinhaltet Sätze, Reflexionen, Verse und Prosastücke über Leben und Traum, Seele und Herz, Vernunft und Absurdes, Ästhetisches und Mystisches aus der Feder dieses Portugiesen.
Ich möchte mich Pessoa intellektuell ganz behutsam anhand der Gedanken nähern, die ich dem vorliegenden Buch entnehmen kann und herausfinden, wer dieser große Lyriker war, vor allem will ich wissen, was ihn psychisch krank machte? Waren es seine Gedanken? War es eine bestimmte Haltung zum Leben?Er sagt und dies möchte ich gleich zu Anfang meine Textanalyse zitieren: " Ich habe es stets abgelehnt, verstanden zu werden. Verstanden werden heißt sich zu prostituieren. Ich ziehe es vor, als derjenige, der ich bin, ernst genommen und als Mensch mit Anstand und Natürlichkeit verkannt zu werden. "
Eine solche Haltung zeugt von Stolz und Trotz aber auch von akzeptierter innerer Einsamkeit. Ein Mensch, der nicht verstanden werden möchte, hat ein Kommunikationsproblem. Wieso teilt er sich anderen überhaupt mit, wenn eher nicht verstanden werden möchte? Pessoa weiß, dass wir alle im " Zwielicht des Bewusstseins leben, uns nie dessen sicher, was wir sind, oder dessen, was wir zu sein glauben."
Kann ein Mensch mit dieser inneren Haltung erwarten, dass man ihn ernst nimmt?
Er kann, wenn er Pessoa heißt und über ein solch überbordende Phantasie und Gefühlsintensität verfügt wie er und damit seine Leser in den Bann schlägt. Wer sollte einen Menschen, der so intensiv denkend zu fühlen in der Lage ist, nicht Ernst nehmen? Der Dichter geht davon aus, dass für den Normalmenschen fühlen leben heißt und denken, zu leben verstehen, bedeutet. Für Pessao heißt denken leben und das Fühlen ist nur die Nahrung für sein Denken. Pessoa fühlt mit seinem Denken, so seine Worte.
Für ihn war die Phantasie seine Erzieherin. An ihrer Hand reiste er stets. Er liebte, hasste, sprach und dachte immer als ihr Zögling und er entdeckte - wie man alles Wertvolle erst im Verlust entdeckt, dass er Zuneigung braucht, wie die Luft , die man atmet, ohne sie wahrzunehmen. Ob er sie bekommen hat, lässt sich anhand der Texte nur schwer ausloten.
Der Satz " Fragt mich, ob ich glücklich bin, so antworte ich: nein ", deutet ebenso wenig darauf hin, wie der Vers " Einmal habe ich geliebt, im Glauben, ich würde / wiedergeliebt, / Doch ich wurde nicht geliebt aus dem einzigen großen Grund; / Es sollte nicht sein. "/ Der Dichter schreibt weiter : " Erlebte ich die große Liebe, ich könnte nie von ihr sprechen." Dieser Satz erstaunt doch sehr. Befürchtet er, dass ihm die Worte fehlen, um über seinen Gefühlszustand Auskunft zu geben? Wohl er nicht. Seine Bedenken scheinen damit zusammenzuhängen, dass Schreiben ( seine Form des Sprechens) für ihn vergessen bedeutet und er dann, wenn er die große Liebe erlebte das Leben auf keinen Fall mehr vergessen beziehungsweise ignorieren möchte.
Nach nichts sehnt sich Fernando Pessoa so sehr wie nach der große Liebe. Das ist eindeutig und ihrer nicht teilhaftig geworden zu sein hat Seele krank gewiss gemacht. Dieser Lyriker ist von ganz außerordentlicher Empfindsamkeit. Das kommt in vielen seiner Sentenzen zum Ausdruck und in nachstehenden besonders deutlich: " Je höher die Sensibilität und je subtiler die Fähigkeit zu fühlen, desto absurder vibriert und erschaudert sie bei den kleinen Dingen. Es bedarf einer ungewöhnlichen Intelligenz, um von einem dunklen Tag Angst zu empfinden. Die Menschheit, die recht unsensibel ist, spürt keine Angst vor dem Wetter, denn Wetter ist immer; sie nimmt den Regen nur wahr, wenn er ihr aufs Haupt regnet."
" Meine Seele ist ein verborgenes Orchester; ich weiß nicht, welche Instrumente, Geigen und Harfen, Pauken und Trommeln es in mir spielen und dröhnen lässt. Ich kenne mich nur als Symphonie...."
Wie reagiert ein solcher Dichter, wenn ihm die große Liebe nicht begegnet? Ich vermute genau so, wie Fernando Pessoa reagiert hat.
Empfehlenswert.
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